Produktion – Ein Blick hinter die Kulissen
Je mehr ich als Morgan Händler in der Fabrik bin, erhalte ich durch Gespräche und durch Zugang zu ansonsten „forbidden areas“ Einblick in das, was den meisten Morgan-Fahrern und -Besuchern verborgen bleibt. Das Resultat ist meist eine klischeehafte Vorstellung, die leider oftmals zu einer etwas abwertenden Betrachtung des kleinen Autowerkes führt. Wer in der heutigen Zeit ein Auto bauen will, und sei es noch so traditionell, kommt an moderner Technik nicht mehr vorbei.
Wer das nicht will oder kann, geht unter. In den letzten Jahren hat man bei Morgan enorme Anstrengungen unternommen, um den gestiegenen Anforderungen zu entsprechen. Wir alle wissen, das Handarbeit viel Geld kostet. Um die Produktionskosten nicht ausufern zu lassen wurde durch Modernisierung und „schlankere“ Produktion die benötigte Montagezeit auf „nur“ noch 235 Stunden pro Auto reduziert. Dafür genügte es nicht, ein paar elektrische Bohrmaschinen anzuschaffen. Wer das Werk heute mit dem Zustand vor 20-25 Jahren vergleicht, wird einen enormen Wandel erkennen.
Neben der erfreulichen Verbesserung der Qualität z.B. durch verzinkte Chassis , Edelstahlbleche und gute Holzimprägnierung, gibt es eine ganze Reihe von Verbesserungen im Fertigungsablauf. Wer kennt nicht die lustige Geschichte von dem alten Ventilator der früheren Lackiererei, der die Farbnebel auch schon ´mal auf vorbeigehende Besucher geblasen hat? Vorbei. Seit ein paar Jahren gibt es eine moderne Lackiererei mit Absaug-und Filtersystemen, eigener Mischanlage, Ofentrocknung etc. Lackiert wird umweltfreundlich mit Lacken auf Wasserbasis.
Auch im „Machine-Shop“, der Dreherei, sucht man vergebens die alten Transmissionen. Eine ganze Reihe moderner, CNC gesteuerter Maschinen ermöglicht die präzise und rationelle Fertigung. Natürlich gibt es daneben immer noch traditionelles Handwerk: Löten, hämmern, biegen – und das ist auch gut so. Für den technisch sehr viel anspruchsvolleren Aero hat man eine eigene, sehr moderne Fertigungshalle gebaut – auch hier herrscht individuelle Handfertigung vor, man sieht aber auch eine ganze Reihe von modernen elektronischen Testgeräten und Maschinen. Doch gehen wir einmal eine Tür weiter.
Hinter der Aero Halle verbirgt sich die Entwicklungsabteilung, Derek´s Reich. Vor dem Betreten stolpert man förmlich über eine ganze Reihe von zertrümmerten Aero-Karossen. So ca. 16 Aeros wurden bei Crash-Tests zu Schrott verarbeitet – schade um die Autos, heute aber unumgänglich zu Erlangung der Homologation, sprich Zulassung. In der Entwicklungsabteilung fällt der Blick auf modernste Geräte. Mit praktisch derselben CAD- Technologie wie bei den großen Autoherstellern wird hier jedes Bauteil, vom kompletten Fahrgestell bis zur letzten Schraube entworfen, gezeichnet und elektronisch gespeichert. Dazu steht den Entwicklern eine ganze Reihe von PC´s zur Verfügung.
Bei Bedarf fertig ein Plotter innerhalb weniger Minuten gedruckte technische Zeichnungen. Für die Homologation, gültig für –zig verschiedene Länder muss jedes Bauteil genau erfasst sein – was natürlich sehr viel Geld kostet. Geld kostet natürlich auch die Produkthaftung, um die kein Hersteller herumkommt. Wer hätte gedacht, dass die Morgan Motor Co. pro ausgeliefertem Auto um 700 (siebenhundert! ) Pfund (nicht Euro ) an Versicherungsprämien zahlen muss? Wenn man sich vor Augen führt, welcher Aufwand neben der reinen Fertigung betrieben werden muss, damit die Autos überhaupt gebaut werden können, ist es fast ein Wunder, dass die Autos bei der geringen Stückzahl nicht noch mehr Geld kosten.
Auf dem Weg zur werkseigenen Reparaturwerkstatt begegne ich Mark Reeves, der für die Aero-Produktion zuständig ist. Er zeigt mir eine Liste von Punkten, die an den Autos geändert oder verbessert werden müssen. Jeder Mangel, den wir ans Werk melden, wird gespeichert und nach und nach abgearbeitet. Es ist sicher verständlich, dass dieser Vorgang manchmal etwas länger dauert – ein bisschen ist es ja auch Mentalitätssache. Man darf nicht vergessen, dass hier kein Heer von Ingenieuren und Technikern zur Verfügung steht. Ein so kleines Werk mit gerade 160 Mitarbeitern kann auch nicht bei Produktionsbeginn die ersten 100 oder mehr Autos nur für Test- und Pressezwecke bauen. Nahezu jeder Mitarbeiter hat mehrere Funktionen zu erfüllen – wer nicht flexibel genug ist muss gehen. Die Verwaltung verschlingt auch bei der Morgan Motor Company viel Zeit und damit Geld.
Wer einmal betrachtet, wie viele Arbeitsgänge in den verschiedenen Abteilungen notwendig sind, um einen Änderungswunsch kurz vor, oder gar während der Produktion zu berücksichtigen , der kann verstehen , dass generell gilt: Keine Änderungen innerhalb 8 Wochen vor Baubeginn. Die Änderung der Aussenfarbe wäre noch am ehesten durchzuführen, was aber, wenn der Kunde eine nicht-gängige Sonderfarbe seines Leders wünscht, oder gar statt eines +4 einen Roadster haben möchte? Dafür sind dann andere Motoren, Getriebe, Achsen, Kabelbäume etc. notwendig. Alle Komponenten müssen rechtzeitig bestellt, eingekauft und für die Fertigung bereitgestellt werden, damit ein angefangenes Auto nicht 3 Monate halbfertig herumsteht, sondern innerhalb der geplanten 4 Wochen fertig wird.
Obwohl der Kostendruck enorm ist, bewahrt man im Werk das Flair, das eben doch nur eine kleine Firma bieten kann: der persönliche Kontakt zu den Kunden ist ungeheuer wichtig und nach wie vor dürfen sich Besucher die Produktion Ihres Autos aus nächster Nähe ansehen. Oft genug ergibt sich ein kleiner Plausch mit einem der „Werker“ – der in Arbeit befindliche Wagen wird dann eben doch etwas später fertig.
Mein kleiner Bericht erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte den Morgan Eignern und denen, die es werden möchten nur nahe bringen, dass es in der heutigen, von Vorschriften, Zeit und Kostendruck geprägten Zeit nur mit sehr viel Enthusiasmus aller Beteiligten möglich ist, Sportwagen in so kleiner Stückzahl herzustellen. Wir alle haben enorm hohe Erwartungen an die Qualität, die wir von Produkten aus perfekter Massenfertigung gewohnt sind. Wie schön, dass es noch von Menschenhand verbrochene „minor imperfections“ gibt – irgendwie macht es die Moggies doch sympathisch und liebenswert.