Ein Reisebericht in das Königreich Großbritannien zur Morgan Company nach Malvern Link von Eckehard G. Heisinger
Dass man bei Lutz Leberfinger in Barsbüttel außergewöhnliche Fortbewegungsmittel mit 4 und seit einiger Zeit sogar nur 3 Rädern erstehen kann, ist ja seit Jahrzehnten hinreichend bekannt. Dass jedoch das Morgan Park Team inzwischen in der Lage ist, Illusionen oder auch Visionen wahrwerden zu lassen, ohne, wie unserer Altkanzler Helmut Schmidt einst grantelte, vorher zum Arzt gehen zu müssen, sollte man sich merken.
Nach der Übernahme meines Morgans im letzten Jahr diskutierte ich mit Robert Kasten, verantwortlich für das operative Geschäft im Hanskampring 23, beiläufig darüber, wie man bereits langjährigen „Morganisten“ oder interessierten Kunden die Philosophie der Morgan-Company um Charles Morgan näherbringen könnte. Ganz einfach, so Robert in seiner direkten aber verbindlichen Art, „ich organisiere das!“ Schnell war ein sogenanntes „3-Tage-Besuchsprogramm“ auf der Insel zusammengestellt, bei dem aber unser Organisator nichts dem Zufall überließ. Selbstredend wurde daher eine Woche vorher vor Ort nicht nur der Umfang der Werksbesichtigung mit den Morganleuten besprochen, sondern Robert nahm auch die uns dann einen ganzen Tag zur Verfügung stehenden „Morgan Plus 4“ sorgsam in Augenschein. Da wir zudem als ungeübte Linksfahrer auf den doch gewöhnungsbedürftigen englischen Straßen keine Überraschung erleben sollten, wurde die komplette Strecke von ihm abgefahren und parallel in ein professionelles Roadbook eingearbeitet. Dies enthielt nicht nur, wir glaubten es kaum, die landschaftlich reizendste Streckenführung durch Wales, sondern berücksichtigte auch bei der Auswahl der Parkplätze den Platzbedarf von 4 ausgewachsenen „Plus 4“ (inkl. eines Fourseaters) und die durchschnittliche Verweildauer von Flüssigkeiten im Körper mittelalter Herren. Eine perfektere Vorbereitung gibt es nicht, meine ich!
Von Hamburg-Fuhlsbüttel führte uns der Flug direkt mit dem Lufthansataxi nach Birmingham, ohne dass das Auslesen der letzten Morganpost möglich gewesen wäre und schon befanden wir uns als sogenannte Selbstfahrer mit zwei Großraumlimousinen auf dem Weg ins 50 Meilen entfernte Malvern Link. Natürlich wurde dem Anlass entsprechend das Abbey, ein im Tudorstil im vorletzten Jahrhundert erbautes Hotel bezogen, das vom Personal bis zur Ausstattung keine Wünsche offen ließ. Und sogar das immer wieder gefürchtete englische Frühstück, hier auch Breakfast genannt, konnte uns mit der leider nicht vorhersehbaren Schlechtwetterperiode versöhnen.
Am Nachmittag wären wir dann ohne Führung fast vorbeigefahren, zu unscheinbar wirkten am Stadtrand von Malvern mehrere Backsteinhallen auf die Vorbeifahrenden. Lediglich ein kleines, unscheinbares und verblichenes Schild wies darauf hin, dass wir auf dem Gelände der legendären Morgan Motor Company angekommen waren. Robert führte unseren Konvoi an dem für Werksangehörige geschaffenen aber immer hoffnungslos überfüllten, holprigen Sandparkplatz vorbei und leitete uns zu einem versteckten Rasenplatz weiter, auf dem offenbar golfbegeisterte Morganer in den Pausen ihre Abschläge optimieren können, dabei aber über die hier zwischenzeitlich abgestellten nagelneuen Moggis unterschiedlichster Bauarten mit einem weiten Carry schlagen müssen…… Morgankäufer wissen jetzt endlich, wie die zu einer Morgankarosserie gehörenden kaum auszumachenden kleinen Dellen entstanden sein könnten……
Nein, liebe Morgenfreunde, wir wollten eigentlich kein steuerfinanziertes britisches Industriemuseum besuchen, sondern hatten uns vorgenommen, den wohl weltweit fasziniertesten Roadsterproduzenten zu besichtigen, über dessen Produkte der Morgan-Biograph Gregory Housten Bowden seinerzeit folgendes ausführte: „Die Eignung des Morgan als Transportmittel erachte ich als rein zufällig, eigentlich sogar als eine Art von Bonus.
Gleich zu Beginn der Führung mit Mike, der durch seine walisischen Wurzeln von uns Kontinentaleuropäern nur mit großer Mühe verstanden werden konnte, wurde eines deutlich: Repräsentieren steht nicht an oberster Stelle der Morganagenda, sondern lediglich der Bau von unnachahmlichen Fahrzeugen, jedes für sich ein Gesamtkunstwerk. Der „Showroom“, wenn man ihn denn so bezeichnen will, hatte maximal die Größe einer deutschen, kleinstädtischen Doppelgarage und beherbergte einen Plus 4 und einen Threewheeler – und das Informationscenter versprühte den Charme einer hanseatischen Senatskantine. Britisches Understatement halt, so, wie viele von uns es lieben!
Nach dem obligatorischen Filmchen über die Historie der Morgan-Company marschierten wir dann im Gänsemarsch zu den in Wurfweite stehenden Backsteinhallen – und konnten es kaum fassen. Hier also, in nichtklimatisierten Werkhallen ohne aufwendige Absauganlagen und großflächigen Glaskuppeln, an urtümlich anmutenden Werkbänken mit nur mit der Hand zu bedienenden Biege- und Pressmaschinen, ohne Industrieroboter und Schweißvollautomaten können seit Jahrzehnten bezahl- und fahrbare Fahrzeuge produziert werden? Es breitete sich für über 2 Stunden ein Produktionsablauf aus, dessen Logik uns, den Förstern, Ärzten, Automobilkaufleuten und unserem Junior, inzwischen im höheren Semester Student der Fahrzeugentwicklung in Ilmenau, verschlossen blieb, abgesehen davon, dass keine Berufsgenossenschaft in Deutschland und keine Handwerkskammer nur einen Produktionstag in Old Germany genehmigen würde. Dafür erlebten wir entspannt, souverän und präzise arbeitende Menschen, ja Spezialisten für die unterschiedlichsten Gewerke, alle mit schicken, schwarzen Polohemden mit dezent plazierter Morganschwinge ausgestattet, die in der europäischen Automobilindustrie schon lange nicht mehr nachgefragt sind. Keine lärmenden Maschinen überdeckten die Informationen unserer beiden Anführer Mike und Robert, lediglich die Beatles oder Stones im Hintergrund versuchten, die ohnehin schon angenehme Arbeitsatmosphäre noch zu optimieren. Fasste man dann einmal Mut, Fragen zu dem jeweiligen Bauzustand eines werdenden Morgan zu stellen, wurden diese in großer Gelassenheit, meist lächelnd, von dem verantwortlichen „Worker“ beantwortet. Jesus, was für eine Atmosphäre!
Fast in jeder der fünf (oder waren es sechs?) Hallen, inklusive der Threewheelerabteilung, standen Fahrzeuge in einem unterschiedlichen Fertigungszustand, auf zwei Achsen auf Holzböcken!, mit oder ohne Rädern, mit Karosse und Motor oder ohne , komplett oder nur rudimentär zusammengebaut. Ein V 8 aus bayerischer Produktion dröhnte vornehm in einer gedämpften Ecke und zwei Threewheeler absolvierten die erste Jungfernfahrt und wurden donnernd um den Werksparkplatz pilotiert, während zwei Worker mit unendlicher Geduld ein halbfertiges Fahrzeug in die nächste Halle schoben.
Natürlich, dass das die Hölle für deutsche Fertigungsingenieure oder Controller sein muss, doch wir sind hier im liebenswerten Großbritannien, wo traditionelles Tun in der Vergangenheit nur selten einer Prozessoptimierung zum Opfer gefallen ist. Kündigt man hier bei Morgan eigentlich, arbeitet man womöglich auch umsonst, hätte ich gerne noch gefragt, und gibt es Mitarbeiterrabatte für Werksangehörige?
Und habt ihr, liebe Morganisten, schon einmal den Geruch frisch verarbeiteter belgischer Esche inhaliert, die geschickt von britischen Stellmachern, die eigentlich Künstler zu sein scheinen, in Form gebracht unter jedem eurer Schätzchen versteckt wurde? Esche statt Airbag heißt hier offenbar seit über 70 Jahren die Devise, denn die einzigartige Elastizität dieses Edelholzes kann nicht nur Sporthallenböden abfedern helfen. Spätestens in der Ledermanufaktur hätten dann schließlich die inzwischen gänzlich verwirrten Sinne zu nicht vernunftbetonten Handlungen verleitet, wären am Ausgang der Halle zufällig Orderformulare abgelegt worden. Jeder wollte eigentlich jetzt diesen unwiderstehlichen Lederduft mit nach Hause nehmen, das mit Lederschere, Ahle und Kupfernägel eingepasste Interieur für sich konservieren, koste es was es wolle. Gottlob lagerten dann in einem einfachen Holzregal lediglich Flyer, die nur auf die Möglichkeit, einen Morgan für einen oder mehrere Tage mieten zu können, hingewiesen haben. Schließlich endete diese nachmittägliche Führung, nach einem Abstecher zur vielversprechenden Threewheelerproduktion, vor der sogenannten Endabnahme, in der ein letzter Blick auf jedes das Werk verlassende Fahrzeug gelegt werden musste. Passen die Eschentüren, wirft das Verdeck Falten, müssen Karosserieteile nachpoliert werden? Jedes Exemplar, natürlich, ein Unikat; kein Fahrzeug gleicht dem anderen! Automobiler Zweckbau geht anders!
Erschöpft (und vielleicht auch etwas konsterniert?) ging es erst zurück ins Abbey, dann in ein mehr als typisches englisches Restaurant mit annehmlicher Küche und akzeptabel gekühlten Bieren und abschließend durften wir noch als einzige Touristen des Abends im Malvern-Pup Craig Denham (Akkordeon) und Jon Sanders (Gitarre) erleben, die sich bereits über die Grenzen Großbritanniens hinaus in der Folkmusikszene einen Namen gemacht hatten.
Auch ein Tief über Mittelengland mit Nieselregen, Nebel und einstelligen Celsiusgraden konnte unsere Laune am nächsten Morgen nicht verderben, sollten doch nun endlich im Linksverkehr unsere Plus 4 über angelsächsische Landstraßen getrieben werden, offen natürlich, wie Robert trocken bemerkte. Die sich eigentlich ständig durch Wales schlängelnden Sträßchen warfen immer wieder die Frage auf, wer jemals das vorgeschriebene Tempolimit von 60 Meilen mit welchem Fahrzeug erreichen würde? Und die eigenartigerweise immer hinter nicht einsehbaren, langgezogenen Kurven wechselnde Fahrbahnbreite von zwei Spuren zu einer und umgekehrt, war schließlich verantwortlich für die vermehrte Adrenalinausschüttung bei den Morganbesatzungen – aber nicht nur bei den verantwortlichen Piloten. Fährt hier der Prince of Wales mit seinem Aston Martin etwa entspannter durch die Gegend, denn eigentlich ist ein Ausweichen aufgrund fehlender Banketten und direkt an die Fahrbahn angrenzenden meterhohen, dichten Hecken oder stabilen Steinmauern nicht zu empfehlen? Spaß machte es aber trotzdem, denn schon bei der ersten Rast in einem idyllisch gelegenen Gasthaus, das von mind. gefühlten 1.000 Schafen belagert wurde und 8° C! Außentemperatur wurde beschlossen, wiederkommen zu wollen, koste es was es wolle! Das englische Winterwetter hielt bis zur Abgabe der Fahrzeuge am späten Nachmittag durch und führte wohl in dem einen oder anderen Moggi zum verstohlenen „Andrehen“ der leistungskräftigen Heizung. Nur in unserem Fourseater musste kurzzeitig wegen eines Wassereinbruches auf den hinteren Bänken das etwas klapprige Dach geschlossen werden. Ansonsten galt die mehrfach ausgegebene Morgandevise bis zum Schluß: Heizung an, ja – Dach zu, nein!
Liebe Morganfreunde, trotz dieser kleinen, wetterbedingten Unwägbarkeiten hielt „das Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“ frei nach Beethovens „Pastorale“ an, so dass jedem eine Nachahmung zu empfehlen sei! Liebes Morgan Park Team, lieber Robert, Ihr habt Euer Ziel, diese einzigartige Morganphilosophie erlebbar machen zu wollen, mehr als erreicht. Dafür einen herzlichen Dank auch auf diesem Wege an Dich und das gesamte Team in Barsbüttel! Man wird sich wiedersehen!
Herzliche Morgangrüße von Eckehard